Christiane Krejs, Die Dinge fallen ihr zu

Die Dinge „fallen ihr zu“. Sie kommen von allein und sind zunächst einfach nur da: sie liegen herum, auf der Straße und im Garten, in Laden und Schachteln. Jemand schickt etwas oder legt es beiseite – für die Künstlerin Elisabeth Homar.

Die Dinge häufen sich an. Sie haben keine Struktur jenseits ihrer puren Anwesenheit. Da sind jede Menge Steine in Herzform, ein Gestell von einem Lampenschirm, winzig kleine Figürchen, eigenartig gewachsenes Geäst, verrostete, zerdrückte Dosen, zahllose Spulen, ausgepresste Tuben, Pinsel in jeder Form und Größe, Schwämmchen, Zahnspiegel, feine, selbstgestickte Gobelins, alte Zeichnungen, Federn, Mohnblätter, Drahtgewirr und getrocknete Samenkapseln. Sie will nichts wegschmeißen. Weil es ihr ja „zu-gekommen“ ist, weil es bei ihr „an-gekommen“ ist, von irgendwo, mit einer Erinnerung. Sie stellt diese Erinnerungen zusammen, schafft eine neue Ordnung, ein natürliches Gefüge, das nicht sie erfindet sondern das sich selbst findet, als ob es ihr Atelier, ihre Hände, ihre Gedanken und ihre Phantasie gesucht hätte. Die Dinge, die normalerweise nichts miteinander zu tun haben, kommen in Beziehung, in einen Austausch miteinander.

Man weiß nichts über diese Dinge, sie geben so noch keinen Sinn. Wichtig ist, dass Elisabeth Homar diese Dinge „auf-gefallen“ sind, dass sie sich bei ihr „gemeldet“ haben, dass sie sich durch sie zusammenfügen, zu einer Geschichte, zu ihrer Geschichte, zu ihrer stillen, ruhigen Meldung. Jedes Objekt und sei es noch so fragil und klein, so unscheinbar, so alltäglich, hat eine ganz ordentlich laute Stimme. Obwohl sie das vehement bestreitet. Sie meint, da wäre keine Botschaft, da wäre nur ihre unbedeutende, persönliche Geschichte. Oder eine Geschichte aus ihrem Umfeld, ihrem Bekanntenkreis. All diese Aussagen kommen an, wenn man sich einlässt auf die teils humorvollen, teils auch mahnenden, aber immer positiven Äußerungen der Elisabeth Homar. Sie blicken nicht zurück, sie verurteilen nicht, sie tragen nicht nach. Sie geben vielmehr Wege frei und fordern auf, sich zu bewegen, weiter zu denken, sich einzulassen, aufzubrechen.

Elisabeth Homar gibt mit ihren Titeln Hinweise zu den Objekten. Sie streut Gedankensplitter, die in ihrer ernsthaften Leichtigkeit Teile der Arrangements werden. Sie stehen mit den Arbeiten in subtiler Beziehung und lassen doch so viel Platz für die Phantasie des Betrachters:
„Es ist genug, Penelope“ und „So ist es und ganz anders“ oder „Alle Wünsche fest verschnürt“ oder „Jetzt musst du gehen, sagt sie“, „Den Fokus auf das Wesentliche richten“, „Es ist nicht nötig, über Vergangenes zu reden“ oder „Mein Herz läuft mir davon“ und – „Es ist geschafft“.
Die Arbeiten von Elisabeth Homar sind materialisierte, kleine Träume mit großer Bodenhaftung. Durch Ihre Existenz aus alltäglichen Materialien, weisen sie auch auf das Hier und Jetzt hin. Lose angeordnet, frei hängend, gerahmt durch luftige Schächtelchen, scheinen sie im Raum zu schweben. Sie drängen sich nicht auf. Wer sie erhascht, die Träume, wer sich einlässt auf die symbolischen Hinweise, die Elisabeth Homar ihren Objekten entlockt, der ist fasziniert von ihrer schlichten Schönheit, ihrer Poetik und ihrem stillen Humor.

(2010)